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ÜBER DIESES PROJEKT

Unsere beiden AudioWalks nehmen Sie mit auf eine Reise durch das jüdische Czernowitz und Chişinău und ermöglichen Ihnen, viele der fast vergessenen Orte des jüdischen Lebens in den Städten zu entdecken.

Nutzen Sie unsere Multimedia-Karten und erkunden Sie dabei das Archivmaterial sowie die Familienbilder und persönlichen Geschichten von 21 jüdischen Holocaust-Überlebenden, um einen einzigartigen Einblick in das vielfältige jüdische Erbe dieser beiden europäischen Städte zu erhalten.

Gebäude des Liceul Dadiani heute
Gebäude des Liceul Dadiani heute

Liceul Dadiani

Element 340
Strada 31 August 1989
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Wer vor dem Gebäudekomplex des Nationalen Kunstmuseums steht, findet an dem Nebengebäude rechter Hand, gleich neben dem Eingang zum darin befindlichen Restaurant, eine Hinweistafel, die auf das Liceul Principesa Natalia Dadiani verweist. Das genannte Mädchengymnasium befand sich allerdings nicht in diesem Gebäude, sondern in dem zentralen Bau, in dem sich heute das Nationale Kunstmuseum befindet. Historische Aufnahmen dokumentieren das freistehende Gebäude des Liceul Dadiani; die zweigeschossigen Anbauten links und rechts erfolgten erst deutlich später.

Das Gebäude wurde 1901 extra für die Zwecke des Mädchengymnasiums erbaut, nach Plänen des Architekten Alexander Bernardazzi, der zahlreiche Prachtbauten in Chişinău schuf. Es war das zweite private Mädchengymnasium, das eine achtjährige Ausbildung bot. Benannt wurde es nach seiner Direktorin, Natalia Godlevskaya, verheiratete Prinzessin Dadiani, die auch maßgeblich an der Finanzierung des luxuriösen Neubaus beteiligt war. Zu den Absolventinnen des Liceul Dadiani gehörten zahlreiche jüdische Mädchen, darunter Ida Voliovich, 1920 in Chişinău geboren. Im Interview mit Centropa erinnerte sie sich an die Geschichte des Gymnasiums sowie an ihre Schulzeit dort:

Als mein Vater starb, wurde mir klar, dass ich eine gute Ausbildung erhalten musste – ich war für meine Mutter verantwortlich. Ich beschloss, in das rumänische Gymnasium, das so genannte Liceul ‚Principesa Natalia Dadiani‘, zu gehen. Prinzessin Dadiani war eine russische Dame aus Bender, einer moldawischen Stadt. Sie wurde Prinzessin, nachdem sie einen georgischen Prinzen geheiratet hatte. […] Sie beschloss ein staatliches russisches Gymnasium zu eröffnen und lud namhafte Architekten ein, dieses Gymnasium zu bauen, das heute das Nationale Kunstmuseum beherbergt. Prinzessin Dadiani starb 1903 im Alter von 38 Jahren, aber das nach ihr benannte Gymnasium florierte. Es war ein russisches Gymnasium, bevor es 1919 zu einem rumänischen Gymnasium wurde. Die Russischlehrer, die die rumänische Sprache beherrschten, arbeiteten weiter. Die Direktorin war Raisa Galina, eine russische Dame.

Ich bestand die Aufnahmeprüfungen […] und wurde in die vierte Klasse des Gymnasiums aufgenommen. Ich legte ein so genanntes „Armutszeugnis“ vor, das bestätigte, dass ich eine Waise war, um eine Befreiung von den Schulgebühren zu erhalten. Jüdische Mädchen machten fast die Hälfte der Klasse aus und ich fand dort lebenslange Freundinnen. Wir trugen Uniformen: schwarze Kleider mit Kragen und den Buchstaben LPD für Liceul Principesa Dadiani und unsere eingestickten Nummern.

In diesen Jahren wechselte Bessarabien in allen Lebensbereichen zur rumänischen Sprache. Meine Muttersprache war Russisch, und ich kommunizierte mit anderen Mädchen auf Russisch. Aber ich verstand auch Jiddisch, da meine Mutter und mein Vater Jiddisch miteinander sprachen. Ich konnte auch Rumänisch. Es gab Hinweisschilder „Sprechen Sie Rumänisch“ auf öffentlichen Plätzen, in staatlichen Büros, großen Geschäften, auf Märkten oder auf der Straße. Einmal sprachen meine Freundin […] und ich Russisch, als wir aus dem Gymnasium kamen. Ein Lehrer kam vorbei. Er sagte nichts zu uns, aber am nächsten Tag lud uns unsere Schulleiterin Raisa Galina in ihr Büro ein und […] suspendierte uns für eine Woche vom Unterricht. Wir waren glücklich – wir hatten eine ganze Woche Zeit, nichts zu tun als unsere Lieblingsbücher zu lesen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude beschädigt. Nach der Instandsetzung diente es bis 1964 als Hauptquartier des Zentralkomitees der kommunistischen Partei der Sozialistischen Sowjetrepublik Moldawiens. In den 1970er Jahren wurde das Gebäude um den rechten zweigeschossigen Anbau erweitert, symmetrisch zu dem bereits vorhandenen linken. Heute befindet sich in dem historischen Gebäude mit seinen hohen Räumen und der Marmortreppe das Nationale Kunstmuseum.

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