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ÜBER DIESES PROJEKT

Unsere beiden AudioWalks nehmen Sie mit auf eine Reise durch das jüdische Czernowitz und Chişinău und ermöglichen Ihnen, viele der fast vergessenen Orte des jüdischen Lebens in den Städten zu entdecken.

Nutzen Sie unsere Multimedia-Karten und erkunden Sie dabei das Archivmaterial sowie die Familienbilder und persönlichen Geschichten von 21 jüdischen Holocaust-Überlebenden, um einen einzigartigen Einblick in das vielfältige jüdische Erbe dieser beiden europäischen Städte zu erhalten.

Geburtshaus Paul Celan
Geburtshaus von Paul Celan

Geburtshaus Paul Celan

Element 340
Saksahans'koho St, 5
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An der Fassade der Saksahans’koho Straße 5 hängt eine Gedenktafel, die 1992 auf Initiative der Österreichischen Literaturgesellschaft angebracht wurde. Sie weist das Gebäude aus als Geburtshaus von Paul Celan. In der Forschung ist unterdessen umstritten, ob der berühmte Dichter jüdischer Herkunft nicht doch im Haus links daneben das Licht der Welt erblickte. Eines der beiden Häuser war jedenfalls das Wohnhaus der Familie Antschel.

Am 23. November 1920 wurde Paul Antschel in einer Wohnung im Erdgeschoss des Gebäudes der damaligen Wasilko Straße Nr. 5 geboren. Später ordnete Paul seinen Nachnamen in einem Anagramm in „Tschelan“ um. Unter dem Namen Paul Celan wurde der Verfasser der „Todesfuge“ schließlich weltberühmt.

Die Familie Antschel wohnte bis 1935 in jenem Haus in der Wasilko Straße. Hier verbrachte Paul große Teile seiner Kindheit und Jugend. Er besuchte von hier aus den privaten deutschsprachigen Kindergarten von Frau Meisler, der als Eliteeinrichtung galt. Von hier aus ging er in die Grundschule des Vereins „Safah Ivriah“, in der er Hebräisch lernte, später in ein rumänisches Gymnasium. Hier spielte er mit Gleichaltrigen und träumte von der Welt hinter den Kastanienbäumen, die damals im Hof gestanden haben. Später sollten sich diese Träume in seinem Gedicht „Drüben“ widerspiegeln, das er wohl 1940/41 verfasste:

Erst jenseits der Kastanien ist die Welt.
Von dort kommt nachts ein Wind im Wolkenwagen
und irgendwer steht auf dahier …
Den will er über die Kastanien tragen:
„Bei mir ist Engelsüß und roter Fingerhut bei mir!
Erst jenseits der Kastanien ist die Welt …“
Dann zirp ich leise, wie es Heimchen tun,
dann halt ich ihn, dann muß er sich verwehren:
ihm legt mein Ruf sich ums Gelenk!
Den Wind hör ich in vielen Nächten wiederkehren:
„Bei mir flammt Ferne, bei dir ist es eng …“
Dann zirp ich leise, wie es Heimchen tun.
Doch wenn die Nacht auch heut sich nicht erhellt
und wiederkommt der Wind im Wolkenwagen:
„Bei mir ist Engelsüß und roter Fingerhut bei mir!“
Und will ihn über die Kastanien tragen –
dann halt, dann halt ich ihn nicht hier …
Erst jenseits der Kastanien ist die Welt.

Die Familie Antschel bezog 1935 eine neue Wohnung in der Massaryk-Straße, heute Bohomoltsya Straße. Paul verließ das elterliche Zuhause 1938 und ging zum Studium nach Paris, kehrte im Sommer 1939 nach Czernowitz für die Sommerferien zurück, aber dann brach der Krieg aus, und so musste Paul in Czernowitz bleiben. Als im Oktober 1941 das Ghetto in Czernowitz errichtet wurde, musste die Familie dorthin umziehen. Den ersten Deportationen konnten die Antschels noch entgehen, im Juni 1942 wurden die Eltern aber nach Transnistrien deportiert, wo sie umgekommen sind. Paul entging der Deportation in einem Versteck und überlebte den Holocaust in einem rumänischen Arbeitslager. Nach dem Krieg zog er über Bukarest und Wien nach Paris, wo er sich 1970 das Leben nahm.

In Czernowitz erinnern ganz in der Nähe des Geburtshauses noch das Celan Literaturzentrum sowie ein Denkmal in der Holovna Straße an den berühmten Sohn der Stadt, einen der wichtigsten Dichter der Weltliteratur.

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