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ÜBER DIESES PROJEKT

Unsere beiden AudioWalks nehmen Sie mit auf eine Reise durch das jüdische Czernowitz und Chişinău und ermöglichen Ihnen, viele der fast vergessenen Orte des jüdischen Lebens in den Städten zu entdecken.

Nutzen Sie unsere Multimedia-Karten und erkunden Sie dabei das Archivmaterial sowie die Familienbilder und persönlichen Geschichten von 21 jüdischen Holocaust-Überlebenden, um einen einzigartigen Einblick in das vielfältige jüdische Erbe dieser beiden europäischen Städte zu erhalten.

Das Gebäude des ehemaligen Jüdischen Krankenhauses
Das Gebäude des ehemaligen Jüdischen Krankenhauses

Jüdisches Altersheim und Jüdisches Krankenhaus

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Synagogue St, 29
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Neben der ehemaligen Synagoge „Groise Shil“ befindet sich ein Gebäudekomplex, der einst für das jüdische Leben in Czernowitz von besonderer Bedeutung war: Hier, in der Synagogenstraße 29, war das „Jüdische Obdach für Alte und Invaliden“ untergebracht, direkt daran angrenzend das Jüdische Krankenhaus der Stadt. Heute ist das Areal im Besitz einer Baufirma und nicht zugänglich. Vom Eingang der ehemaligen Synagoge aus hat man noch den besten Blick über den Zaun.

Das jüdische Alten- und Invalidenheim war das letzte Großprojekt der jüdischen Gemeinde von Czernowitz zu Zeiten der Habsburger Monarchie. Es wurde von 1908 bis 1911 errichtet, dank der großzügigen Spende von Josef Blum, einem Abgeordneten des Bukowinischen Parlaments. In der Zwischenkriegszeit, als Czernowitz zum Königreich Rumänien gehörte, blieb die Einrichtung bestehen. 1940 wurde die jüdische Gemeinde von den sowjetischen Behörden enteignet. Im Herbst 1941 befand sich das Altenheim mit dem angrenzenden jüdischen Krankenhaus auf dem Territorium des Czernowitzer Ghettos.

Die Schilderungen der jüdischen Zeitzeugin Sylvia Segenreich, geboren in Czernowitz 1926, liefern einen anschaulichen Einblick in diese dramatische Zeit:

Mein Vater blieb versteckt, meine Mutter hat die Wehen bekommen, und ich mit meinen 15 Jahren musste die Familie versorgen. Zum Glück war der jüngere Bruder meiner Tante blond und hatte blaue Augen. Er hat sich Stiefel angezogen und sah dadurch aus wie ein SS-Mann. Irgendwo hat er so ein Wagerl gefunden und die Mama hereingesetzt, und wir sind gefahren ins jüdische Spital. Da hat sie entbunden. Aber was sich dort getan hat, schwer kranke Leute standen auf der Straße. Aus allen Spitälern hatte man die Juden hinausgeworfen und dort waren dann alle. Ich ging allein nach Hause, aber im Spital gab es nichts zu essen, gar nichts!

Czernowitz war unter rumänischer Verwaltung, und die Rumänen waren nicht so schlecht wie die Deutschen. Meine Tante Mania und ich sind zum rumänischen Hauptmann gegangen, wir haben ihm auf Rumänisch haben gesagt: „Wir verhungern. Das ganze Haus, in dem wir wohnen, ist voller Juden, und meine Mutter ist im Spital, und die Leute im Spital haben auch nichts zu essen. Wir wissen, die Russen haben Lebensmittel zurückgelassen.“

Der Rumäne war sehr nett, und er sagte, dass wir um 6 Uhr kommen sollen. Dann schicke er den Wachposten, der vor den Eiskellereien stehe, weg, und wir hätten eine halbe Stunde Zeit, in der wir alles, was wir tragen können, mitnehmen dürfen. Wir sind mit Schüsseln gegangen und alle Einwohner des Hauses haben etwas bekommen, und ich habe für das Spital Proviant zusammengepackt. Die Krankenschwestern haben kaum erwarten können, dass ich komme. Aber ich durfte um diese Zeit nicht auf die Straße. Ich habe mir Zöpfe gemacht, habe mich angezogen wie ein Mädel vom Land und bin barfuß gegangen. So wurde ich die Ernährerin. […] Als meine Schwester geboren wurde, gab es nichts, es gab auch keine Windeln. Wir haben Leintücher zerrissen und als Windeln benutzt. Meine Schwester wurde am 14. Juli 1941 geboren, fünf Tage, nachdem mein Bruder von den Deutschen ermordet wurde.

Nach dem Krieg nutzten die sowjetischen Behörden den Gebäudekomplex, um hier eine Abteilung des Stadtkrankenhauses unterzubringen, die bis 1996 bestand. Aufgrund der drohenden Gefahr von Erdrutschen und aufgrund des schlechten Zustands des Gebäudes wurde das Krankenhaus verlegt. Seit 2000 ist das Gelände nun im Besitz der Baufirma und leider nicht öffentlich zugänglich.

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